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Das FernUSG – ein Bedrohungsszenario im Online Bildungssektor

Rechtsanwalt Sascha Kugler, www.alchimedus-legal.de

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In der heutigen schnelllebigen digitalen Welt stehen Anbieter von Bildungsprogrammen vor zunehmend komplexen Herausforderungen, insbesondere wenn es um die Zulassung von Kursen und die Einhaltung rechtlicher Vorgaben geht. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und einer explosionsartigen Zunahme an Online-Lernangeboten wird die Frage nach regulatorischen Anforderungen immer dringlicher. Die jüngsten Entwicklungen in der Rechtsprechung, insbesondere bezüglich der Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) auf digitale Angebote, haben viele Anbieter verunsichert.

In unserem exklusiven Interview mit Rechtsanwalt Sascha Kugler beleuchten wir die Feinheiten dieser rechtlichen Vorgaben und erhellen die Fragen, die Anbietern am meisten auf den Nägeln brennen. Von der notwendigen AZAV-Zertifizierung bis zur potenziellen Einstufung eines Online-Kurses als Fernunterricht – die regulatorischen Hürden sind zahlreich und ihre Auswirkungen auf den Bildungsmarkt nicht zu unterschätzen.

Erfahren Sie, warum diese Regelungen nicht nur ein Relikt aus vordigitalen Zeiten darstellen, sondern auch in der Gegenwart eine entscheidende Rolle spielen. Dieses Gespräch ist ein Muss für Online Bildungsanbieter, die in einem von schnellen Wandel und hoher Konkurrenz geprägten Markt bestehen wollen. Bleiben Sie informiert und navigieren Sie sicher durch das rechtliche Labyrinth der Bildungszulassungen.

Die Feinheiten der Zulassung akkreditierter Berater und Fernunterrichtsangeboten

Alchimedus: Benötigen AZAV-akkreditierte Berater, die durch das Arbeitsamt bezahlte Kurse durchführen, zusätzlich eine behördliche Zulassung?

Sascha Kugler: Ja, unter Umständen schon. Die AZAV-Zertifizierung (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung) betrifft die Anerkennung durch die Bundesagentur für Arbeit, ist aber unabhängig von der FernUSG-Zulassungspflicht durch die ZFU. Beide Systeme sind parallel und unabhängig voneinander, sodass bei AZAV-anerkannten Maßnahmen, die einen Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG darstellen, zusätzlich eine ZFU-Zulassung erforderlich ist. Die ZFU prüft auf Basis pädagogischer, didaktischer und wirtschaftlicher Qualität sowie Rechtskonformität.

Alchimedus: Kann man pauschal sagen, dass ein Online-Angebot keinen Fernunterricht darstellt, wenn der Vertrag Leistungskontrollen ausschließt, also eines der vier Kriterien nicht gegeben ist), aber stattdessen beispielsweise kostenfreies Bonus Material ausgegeben wird oder ein „klärendes Telefonat“ off the records stattfindet.

Sascha Kugler: Nein, das ist jedenfalls nicht rechtssicher. Das FernUSG definiert die Lernerfolgskontrolle funktional, nicht nur formal. Entscheidend ist, ob der Teilnehmer faktisch die Möglichkeit erhält, Fragen zu stellen und eine Rückmeldung zu erhalten, so der BGH. Laut BGH reicht bereits ein klärendes Telefonat, um als Lernzielkontrolle zu gelten, unabhängig davon, ob dies „on oder off the record“ geschieht.

Im  Ergebnis reicht ein einfacher vertraglicher Ausschluss nicht aus, um eine Rückforderung auszuschließen, wenn der Gesamtcharakter auf Wissensvermittlung und Betreuung zielt.

Alchimedus: Sind kostenfreie Schulungen zu einer Softwarelizenz als Fernunterricht zu werten?

Sascha Kugler: Grundsätzlich nein, da das Entgelt fehlt. Das FernUSG greift nur bei entgeltlichen Schulungen. Bei Rein freiwilligen und kostenlosen Schulungen, die als Verkaufsargument für ein Lizenzprodukt dienen, fallen nicht unter das FernUSG. Aber: Wird die „kostenlose Schulung“ an die Softwarelizenz gebunden und dient diese erkennbar als Verkaufsargument („Onboarding“) für ein Produkt, kann ein rechtliches Konstrukt angenommen werden, bei dem der Schulungsteil im Kaufpreis enthalten ist

Liegt aber eine saubere Trennung zwischen Lizenzkauf und (kostenlosem) Schulungsmaterial vor, dürfte dies nicht unter das FernUSG fallen. Dies wäre somit ggf. eine elegante Lösung.

Alchimedus: Es wird viel über den Begriff Präsenz und asynchrones Lernen geschrieben. Gilt ein Online-Kurs ohne Aufzeichnungen als Fernunterricht?

Sascha Kugler: Ja, digitale Live-Sessions gelten als „räumliche Trennung“ im Sinne des FernUSG. Der Unterschied zwischen synchroner Online-Lehre und „Präsenz“ wird nicht rechtlich anerkannt, auch wenn dies technisch und im Ergebnis als unfair erscheint. Der BGH stuft Video-Live-Calls z.B. per Teams, Zoom etc. als Fernunterricht ein, besonders wenn diese aufgezeichnet und on demand verfügbar sind. Es reicht aber auch schon aus, wenn eine Beratung mit Fragemöglichkeiten angeboten wird. Allein kostenlose Videos ohne Vertragsbindung sind unproblematisch, aber sobald sie Teil eines strukturierten Programms sind, greift das FernUSG.

Alchimedus: Ist die Lernerfolgskontrolle das Kriterium, um sich von Fernunterricht abzugrenzen?

Sascha Kugler: Leider nur bedingt. Theoretisch ja, aber praktisch bringt es ein hohes Risiko mit sich. Wie bereits ausgeführt reicht laut BGH jede Möglichkeit zur Rückfrage oder Kontrolle aus. Selbst vermeintlich unverbindliche Fragemöglichkeiten können genügen. Der BGH sieht insgesamt jede Möglichkeit zur Rückfrage oder Kontrolle (Fragen, Feedback, Hausaufgaben) als ausreichend an. Selbst „Hausaufgaben ohne Kontrolle“ oder Fragemöglichkeit per Facebook-Gruppe oder Mail können genügen.

Alchimedus: Dürfen keinerlei Erfolgsversprechen hinsichtlich erlangter Befähigungen gemacht werden?

Sascha Kugler: Nicht grundsätzlich.  Der BGH hat sich in seiner Entscheidung die Programmbeschreibung im konkreten Fall genau angesehen: dort wurde von „Befähigung“, „Umsetzung“, „Zielen“, „finanzieller Freiheit“, „mehrere Einkommensströme“ usw. gesprochen, in diesem Fall unterstellt das Gericht ein strukturiertes Lernprogramm. Solche Aussagen fördern die Zulassungspflicht und sollten vermieden werden, da sie auch wettbewerbsrechtlich problematisch sein können.

Alchimedus: Muss jeder Kurs einzeln zugelassen werden und was kostet das?

Sascha Kugler: Ja, jeder Kurs muss einzeln zugelassen werden. Es gibt keine pauschale Anbieterzulassung. Die Kosten schwanken zwischen etwa 700 € bis 1.200 € pro Kurs. Die Bearbeitungszeit beträgt in der Regel drei bis sechs Monate, könnte jedoch bei hoher Antragsflut länger ausfallen. Wenn man also Kurse aufsetzt, sollte man strategisch vorgehen und Standard-Kurse modular und wiederverwendbar aufbauen, um Redundanzen zu vermeiden.

Alchimedus: Ist die Zulassungspraxis ein Relikt aus vordigitaler Zeit?

Sascha Kugler: Ja, ursprünglich war das FernUSG für Briefkurse gedacht. Die aktuelle BGH-Entscheidung erweitert es auf digitale Angebote. Die verantwortlichen Behörden sind strukturell auf den neuen Ansturm nicht vorbereitet, der Reformbedarf ist bekannt.

Alchimedus: Gibt es eine Verjährungsfrist?

Antwort: Ja, die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB), beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstand (§ 199 Abs. 1 BGB).

Alchimedus: Wenn Schulungen bereits seit Jahren angeboten werden und tatsächlich unter das FernUSG fallen, können dann Kunden tatsächlich Rückerstattung einfordern?

Antwort: Ja, das ist möglich – und zwar selbst dann, wenn der Kurs bereits abgeschlossen und die Leistung voll in Anspruch genommen wurde. Es gilt die vorgenannte Frist von drei Jahren. Diese beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Teilnehmer von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis hatte oder grob fahrlässig nicht hatte. Wer also 2021 an einem „unzulässigen“ Kurs teilgenommen hat, aber erst 2023 von der fehlenden ZFU-Zulassung erfährt, kann noch bis Ende 2026 Rückforderung geltend machen.

Alchimedus: Wie kann ich mich als Unternehmen zukünftig gegen Rückforderungen absichern, wenn ich keine ZFU – Zulassung habe?

Antwort:  Wenn es sich bei den Teilnehmer um Verbraucher handelt, wird es kaum eine Möglichkeit geben, ohne ZFU Zulassung rechtskonforme Kurse anzubieten. Richtet sich die Schulung allein an Unternehmer/Kaufleute dürfte individuell vertragliche Regelung mit einem Ausschluss der Rückzahlung nach erbrachter Leistung rechtswirksam sein. Hier ist somit anzuraten, die Verträge anzupassen. Der BGH hat zwar ein Grundsatzurteil erlassen, es wird in den Folgeentscheidungen aber jeder Einzelfall individuell geprüft werden, so dass mit den richtigen Anpassungen zumindest im B2B Bereich noch Gestaltungsspielraum vorhanden ist.

Alchimedus: Wenn Kursteilnehmer nun aufgrund der Entscheidung die Schulungsgebühren zurück verlangen, muss ich das einfach hinnehmen?

Antwort: Nein, wenn es sich nicht um einen Verbraucher handelt, sollte ungeprüft keine Rückzahlung erfolgen. Der BGH hat eine Entscheidung über einen konkreten Sachverhalt getroffen. Die Sach- und Rechtslage kann in einem konkreten anderen Sachverhalt ganz anders sein. Hier ist zu prüfen, was wurde vereinbart, was wurde angeboten, welchen Inhalte hatte die Schulung, etc. Ggf. kann man nach einer Prüfung auch zu dem Ergebnis kommen, dass eine Rückforderung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. Aber wie gesagt alles nur im B2B Bereich.

Wir danken Rechtsanwalt Sascha Kugler für das Gespräch und die juristische Einschätzung.

Weitere Informationen und Kontakt

� Website: Alchimedus Legal

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