Tel.: +49 911 · 9566630 | Mail: sekretariat@alchimedus.com

Abmahngefahr bei Verstoß gegen das BFSG: Risiken für Unternehmen durch Mitbewerber und Verbände

Beitrag teilen

Ab Juni 2025 gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Wer digitale Angebote nicht barrierefrei gestaltet, riskiert kostenintensive Abmahnungen durch Wettbewerber oder qualifizierte Verbände.

1. Das BFSG als neue Marktverhaltensregel

Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) zum 28. Juni 2025 stehen zahlreiche Unternehmen vor neuen rechtlichen Herausforderungen. Ziel des Gesetzes ist es, Produkte und Dienstleistungen – insbesondere im digitalen Bereich – für Menschen mit Behinderungen besser zugänglich zu machen. Das BFSG verpflichtet etwa Betreiber von Webseiten, Onlineshops, Apps, Bankautomaten oder Ticketterminals zur barrierefreien Gestaltung ihrer Angebote. Diese Verpflichtungen betreffen nicht nur Großunternehmen: Auch kleine und mittlere Anbieter sind in weiten Teilen erfasst. Lediglich reine Kleinstunternehmen im Bereich der Dienstleistungen sind nach § 3 Abs. 4 BFSG grundsätzlich ausgenommen.

2. Zivilrechtliche Abmahnungen bei Verstößen

Was vielen Unternehmen nicht bewusst ist: Verstöße gegen das BFSG können nicht nur behördliche Sanktionen zur Folge haben, sondern auch zivilrechtliche Abmahnungen – insbesondere durch Mitbewerber oder qualifizierte Verbände. Maßgeblich ist dabei § 3a UWG. Danach ist eine geschäftliche Handlung unlauter, wenn sie gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt, die auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten zu regeln, und wenn dieser Verstoß geeignet ist, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Da das BFSG eine Vielzahl konkreter Vorgaben für den Zugang zu digitalen Produkten und Dienstleistungen enthält – etwa in Bezug auf Navigation, Bedienbarkeit, Lesbarkeit und technische Barrieren –, ist davon auszugehen, dass viele dieser Vorschriften marktverhaltensregelnden Charakter im Sinne des § 3a UWG haben.

3. Wer darf abmahnen – und unter welchen Voraussetzungen?

    Folglich kann ein Unternehmer, der beispielsweise seine Website oder seinen Online-Shop nicht barrierefrei ausgestaltet, von einem Mitbewerber oder einem qualifizierten Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 UWG abgemahnt werden. Dazu gehören insbesondere Verbraucherschutzorganisationen, Industrie- und Handelskammern oder die Wettbewerbszentralen. Voraussetzung ist jeweils ein konkreter Wettbewerbsverstoß, der geeignet ist, den Markt zu verzerren oder Kundengruppen auszuschließen. In der Praxis ist die Abmahngefahr insbesondere im E-Commerce-Bereich hoch. Unternehmen, die barrierefreie Gestaltung systematisch unterlassen, verschaffen sich unter Umständen unzulässige Wettbewerbsvorteile – etwa durch geringere Entwicklungskosten oder eine nicht an barrierefreie Standards angepasste Nutzerführung.

    4. Rechtsfolgen: Unterlassung, Kosten, Klage

    Kommt es zu einer berechtigten Abmahnung, drohen erhebliche wirtschaftliche Folgen: Neben der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung können auch Abmahnkosten geltend gemacht werden, deren Höhe sich nach dem Streitwert richtet (oft im vierstelligen Bereich). Bei fehlender Reaktion kann zudem eine einstweilige Verfügung beantragt oder Klage auf Unterlassung erhoben werden. Parallel dazu besteht weiterhin die Gefahr aufsichtsrechtlicher Maßnahmen durch die Marktüberwachungsbehörden – etwa der Bundesnetzagentur oder der Landesbehörden, die für die Überwachung der BFSG-Konformität zuständig sind.

    5. Was Unternehmen jetzt tun sollten

    Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um das Risiko von Abmahnungen zu minimieren. Dazu gehört insbesondere eine technische und rechtliche Überprüfung der bestehenden digitalen Angebote. Websites und mobile Anwendungen sollten systematisch auf Barrierefreiheit nach den Maßgaben der DIN EN 301 549 sowie den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) geprüft werden. Neben der Einhaltung von Kontrasten, Textalternativen und Tastatursteuerbarkeit sind auch semantische Strukturen (z. B. HTML-Überschriften) sowie ein klarer Navigationsaufbau essenziell. Die Ergebnisse sollten dokumentiert werden, um im Fall einer Abmahnung Nachweise vorlegen zu können.

    Zusätzlich empfiehlt sich ein Monitoring von Mitbewerbern sowie eine regelmäßige Prüfung aktueller Rechtsprechung zum § 3a UWG. Gerade mit Blick auf die Unsicherheiten bei der konkreten Auslegung der Vorschriften des BFSG durch die Zivilgerichte ist mit einer steigenden Zahl an wettbewerbsrechtlichen Verfahren zu rechnen. Unternehmen, die ihre Angebote frühzeitig an die neuen Anforderungen anpassen, senken nicht nur ihr rechtliches Risiko – sie verbessern auch ihre Marktposition, indem sie ihre Angebote für eine breitere Zielgruppe öffnen.

    Die Experten von Alchimedus Legal unterstützen Sie gern bei der rechtskonformen Umsetzung des BFSG. 

    Alchimedus Legal – ein Beitrag von Rechtsanwalt Sascha Kugler, Berlin

    Mehr entdecken